Weltcuprennen 1997

GP Suisse - Züri Metzgete Paris - Rubaix
Amstel Gold Race Flandernrundfahrt
Lüttich - Bastogne - Lüttich Mailand - San Remo
GP Suisse - Züri Metzgete
Es wird ganz sicher schnell gestartet. Viele Fahrer haben noch keinen Vertrag für nächstes Jahr und andere Fahrer die das Rennen nicht gewinnen können, werden auch angreifen. Ich bin auf alles gefasst und fahre vorne. 10km, 20km, 30km, nichts passiert ausser eine unglaublich Hitze und ich Schwitze wie in der Sauna. Aber auch die andern Fahrer sind bachnass und täusche ich mich?: es sind schon Fahrer in Schwierigkeiten.
Die ersten vier langen Berge sind vorbei und mit allen Fahrern, mit denen ich spreche, jammern über ihre schlechten Beine. Ah, darum ist es noch nicht schneller. Die erste Verpflegung, vorne fahren, dann kann ich um die nächsten Hausecken etwas Kraft sparen. Vor Gippingen entschliesse ich mich, hinten im Feld zu fahren, dann kann ich bis zum Siglistorfer etwas Kraft sparen und hier wird schon nichts passieren. Kaum gedacht, ist schon das ganze Feld in Einerkolonne. Jetzt nur die Nerven behalten, die Strassen sind breit und die Berge nicht sehr hart, da wird doch keine Gruppe laufen. Nach dem Zurzacherberg schummle ich mich langsam nach vorne, wenn ich den Siglistorfer vorne beginnen könnte, wäre ich eventuell oben noch dabei und dann könnte ich fertig fahren!
Die Keilerei ist erstaunlicherweise nicht sehr gross, alles läuft nach Plan und sie fahren nicht mal schnell hoch. Sind denn schon alle kaputt? Ich bin schon weiter gekommen als ich geglaubt habe und bin schon ganz zufrieden. Jetzt muss ich nur noch einigermasse den Regensberger hochfahren und ich komme dann bis zum Ziel. Ich merke, dass bei mir nun ziemlich plötzlich die Kraft nachlässt, aber nach dem Regensberger finde ich mich in einer 60 Mann starken Gruppe wieder und vorne sind höchstens 40 Fahrer. Wenn das keine Klasse ist? Ich kriege eine super Moral und bis auf die Rennbahn in Zürich habe ich überhaupt keine Probleme mehr. Als 52. treffe ich dort ein, aber was viel wichtiger ist, ich kann mich von Tag zu Tag steigern und in ein, zwei Wochen werde ich wieder um einen Sieg mitfahren können.

Amstel Gold Race
Es wird sehr schnell gestartet. Aber ich bin darauf vorbereitet. Jacky Durand hat mir versprochen, dass er gleich nach dem Start attackieren werde. Aber es sind die Fahrer von Palmans, die um jeden Preis flüchten wollen. Das Feld ist immer im Faden, um Verkehrsinseln, Ampelanlagen, Radwege, ein Slalom, wie das halt in Holland so ist. Die ersten 30km legen wir in 40 Minuten zurück. "Super so, so erwischen wir das Flugzeug heute Abend sicher noch!" höre ich Alex Zülle neben mir. "Du vielleicht, aber ich fliege um 8 Uhr 20 von Paris, da müssen sie schon die nächsten drei Stunden auch noch schnell fahren."
Die Kilometer fliegen nur so an mir vorbei, nach 70km kehrt das erste mal etwas Ruhe ein. Nur nicht täuschen lassen, und von jetzt an vorne fahren, die breiten Strassen sind bald vorbei, und dann wird das Rennen an der ersten Verpflegung bei 105km losgehen. Vermute ich wenigstens, seit ich das letzte mal vor drei Jahren gefahren bin, haben sie die Strecke etwas geändert. Und schon stechen wir für mich völlig überraschend in eine schmale Steigung. Ich bin vorne, dussel gehabt! Das Strässchen bleibt sehr schmal, ich bin aber ganz vorne mit fünf Fahrern von Rabobank. Die haben etwas vor! Kaum gedacht, geht es los, sie fahren wie verrückt, das Feld zieht sich sehr, sehr in die Länge. Bremsen, spitzwinklige Kurve, antreten, und dann kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, ich sehe das ganze Feld wie an einer 600m langen Perlenschnur auseinandergezogen, ich in den ersten 10 Positionen. Die da hinten werden gewaltige
Beinschmerzen nach dieser Kurve haben. Aber nach einigen Kilometern ist der Spuk vorbei, alles wieder zusammen.
Aber von jetzt an gilt nur noch eines, unbedingt vorne fahren. Das wissen aber alle Fahrer, und so drängeln wir auch an der Verpflegung, dem ersten, zweiten, dritten, vierten Berg. Irgendwie kann ich meine Position relativ leicht halten und bin auch ganz vorne, als wir die Steigung zum Dreiländerpunkt in Angriff nehmen. Der höchste Punkt Hollands mit, glaube ich, 380m.ü.M. Danach folgen wieder kurze, steile Rampen, aber ich kenne sie noch alle. Nur an diesen Keutenberg kann ich mich nicht mehr errinnern, aber der Name sagt mir, dass er sehr steil und hart ist. Und meine Kräfte neigen sich langsam aber sicher dem Ende zu. Aber dann, am Keutenberg (ich habe recht, er ist sehr steil), sehe ich, dass auch die Fahrer rechts und links neben mir am kämpfen sind. Aber dann, keine Abfahrt, sondern ein langes flaches Stück mit Seitenwind. Ich kämpfe mit allen Mitteln, um das drei Meter grosse Loch vor mir wieder zu schliessen. Nur nicht nachgeben, nachher kommt für eine Weile nur noch der Cauberg.Und da gibt es nur eins, ganz vorne beginnen, und dann hoffen, dass ich oben wenigstens mit den letzten der Gruppe noch mitkomme. Die Strasse ist breit und steil, wie konnte ich da an einer Tour de France Etappe überhaupt noch angreifen? Und bei meinem Sieg hier vor vier Jahren, bin ich ganz locker hochgefahren! Dem ist Heute gar nicht so, aber ich bin oben noch dabei, und das Feld ist schon merklich kleiner geworden.
Bei der ersten Zieldurchfahrt beginnt es zu Regnen, vorne sind, glaube ich, einiger Fahrer weg, aber ich habe keine Ahnung wer und wieviele. Nach dem St.Pietersberg beginnt MG zu fahren, ich finde am Hinterrad von Michele Bartoli, dem Leader im Weltcup, unterschlupf. Für die nächsten 10km bin ich so gut versorgt, allerdings sehe ich fast nichts mehr, meine Brille ist völlig verschmutzt, angelaufen und was weiss ich noch alles. Entnervt schmeisse ich sie weg, und merke, dass es gar nicht mehr so stark regnet. Waren das nur die Tropfen auf dem Glas? Der drittletzte Berg nähert sich, der Hallembay oder so, einen Kilometer, breite Strasse, geradeaus und steil. Bei meinem Sieg habe ich hier mit Gianni Bugno die letzten Begleiter abgeschüttelt. Aber wie soll ich heute nur da hoch kommen? Ich kämpfe, kämpfe und kämpfe nochmals, danach kämpfe ich auch noch, um das kleine Löchlein von 10m zu flicken. Endlich wieder in der Gruppe, sofort nach vorne. Ich weiss nicht, wieviele Fahrer wir noch sind, ich muss nur unbedingt wieder ganz vorne in den nächsten Stutz, dann überlebe ich vielleicht auch den.
Es regnet wieder in strömen, als wir den letzten Berg 4km vor dem Ziel in Angriff nehmen, nochmals den St.Pietersberg. Ich riskiere fast mein Leben, aber ich komme vorne um die Spitzkehre, so habe ich bis oben ein wenig spatzig. Aber da es sehr schmal ist, verliere ich nicht mal viele Positionen und beginne den Schlusssprint schon in der Abfahrt (wie alle andern auch). Der letzte Kilometer. Nehme ich das Hinterrad von Sciandri? Oder Ekimov? Sörensen wäre auch noch? Egal, nur noch treten. Immerhin, zwischen der siebten und zehnten Position überquere ich die Ziellinie. Jetzt müsste man nur noch wissen, wieviele Fahrer vorher weggefahren sind.

Lüttich-Bastogne-Lüttich
Warm eingepakt rolle ich im hinteren Teil des Feldes vom Start weg. Schon sehe ich wie ein Fahrer von uns angreift. Mich packt die Wut, gestern an der Mannschaftssitzung habe ich ausdrücklich jedem Fahrer gesagt, fals er etwas spezielles vor hat, soll er es sagen, dass es die Kollegen auch wissen. Ich habe nichts gegen einen schnellen Start, aber bitte, wenn ich vorne bin. Natürlich ist dann aber Marc Streel nicht dabei, als Georg Totschnig das Weite sucht. Was für Fahrer haben wir eigentlich hier! Wenn einer von den Jungen nur schon ins Ziel kommt, ist es ein Wunder. Allerding muss auch ich mich gewaltig anstrengen, denn die Strecke ist wirklich hart. Fast 5000 Höhenmeter auf 263km. Ich rolle im hinteren Teil des Feldes, den Kopf auf keinen Fall in dem Wind, möglichst Kraft sparen, solange es geht. Ich suche Gianni Bugno, um einen Schwatz abzuhalten. Es ist das erste Rennen dieses Jahr, dass wir gleichzeitig fahren. Er ist wie immer, und jammert über seine Beine. Ich übrigens auch, aber das gehört dazu.
Es beginnt leicht zu schneien, als wir die 50km Tafel passieren, Georg hat inzwischen 12 Minuten Vorsprung, aber es werden sicher auch 20 Minuten nicht reichen, und das Feld fährt immer noch sehr gemächlich. Erster Berg, erste Verpflegung, es läuft überhaupt nichts. Alle wissen, dass das Rennen erst an der Côte de Wanne beginnt.Bei Km 135 beginne ich mich langsam aber sicher nach vorne zu schummeln. Die letzten 10km vor Vielsam ist das Gedränge und Gedrücke grösser als normal, die Fahrer sind alle noch frisch und wollen vorne die erste Kurve unten am Berg nehmen. Als erster biegt, man staune, ich in die Côte de Wanne. Rolf, das hast du wiedermal sehr gut gemacht, ich kann die Kurve so mit 55km/h voll durchziehen, und ich weiss aus Erfahrung, ab der 40 Position wirds noch 20km/h sein. Viel Kraft gespart, trotzdem verliere ich auf den 4km Steigung etliche Positionen, was aber nicht schlimm ist. Nach der Abfahrt hat man nochmals 5km Zeit, bis zur Spitzkehre vor der Côte des Hézalles, der ersten wirklich steilen und schmalen Rampe. An zehnter Position um die Kurve, 23 rein und raufwürgen, am Hinterrad von Laurent Jalabert! Nach einem Kilometer die Abfahrt und rein in die Côte de d'Aisomont, ca. 6km lang, dafür nicht so steil. Aber alle wissen, dass man da vorne in die Abfahrt reinstechen muss, darum gibt es da im Aufstieg schon ein Gedränge. Vorne in die Abfahrt und vorne in die Côte de Stockeu, wieder ein Gewürge mit dem 23, Abfahrt und in den Haute-Levée, das Gedränge, dünkt mich, hat aber merklich abgegeben. Vorne attackieren sie, ich bleibe aber in meiner Position, zuviel Gegenwind! Auf dem folgenden kleinen Flachstück sehe ich, dass wir nur noch etwa 70 Fahrer sind, von uns sind nur noch die drei alten Italiener und der alte Schweizer dabei, die Jungen hat es anscheinend schon gelupft. Die Côte de Rossier wird sehr schnell hochgefahren, ich bin etwas weit hinten und muss kämpfen und leiden. Wir hängen einiger Fahrer ab, darunter auch leider Marco Saligari von uns. Ich komme am letzten Zwick noch mit, irgendwie sollte ich mich jetzt ein bisschen erholen, nur wie? Die zweite Verpflegung, ich schnappe mir den Sack und würge sofort ein Extran runter, vielleicht hilfts. Irgendwie muss ich noch über den nächsten Berg kommen, dann bin ich bis zur Redoute gerettet.Irgendwie schaffe ich es, beginne dann aber diesen scheiss Berg zu weit hinten, was aber an meinen Beinen liegt. Über die ersten zwei Rampen komme ich gerade noch so mit, an der letzten ist es dann aber geschehen, wiedermal mit dem
23 Ritzel würge ich 10m hinter den anderen darüber, kann dann aber auf dem folgenden Flachstück nicht genug beschleunigen. Merde, ich bin noch der dritte Fahrer von Casino, jetzt muss ich die letzten 35km noch voll fahren, wegen dem Weltcup - Mannschaftsklassement. Beim Nächsten Berg bin ich gerade mal 30m hinter dem letzten Auto, wenn ich das einholen könnte, käme ich im Windschatten wieder an die grosse Gruppe vor mir heran. Beim Bergpreis an der Côte des Forges sind es dann aber schon 200m und in der geraden Abfahrt mit Gegenwind entschwindet dann alles aus meinem Blickfeld. Noch 22km ganz alleine in den Wind und völlig kaputt.
Am letzten Berg werde ich dann noch von meinen ehemaligen Mannschaftskollegen Fabio Baldato und Roberto Pistore mit je zwei Once und Gan Fahrer eingeholt. Ebenfals ist der Deutsche Meister Christian Henn dabei, der wie ein verrückter fährt. Auch hier muss ich noch kämpfen. Beim Schlussaufstieg Richtung Ziel muss ich an meinen Schlusssprint denken, den ich als dritter der Mannschaft noch machen sollte. Aber erstens hänge ich in den Seilen und zweitens mache ich mich ja lächerlich, um den 50Rang zu sprinten. Fabio kommt zu mir und lacht. " Devi fare la volata, eh?" "Wenn ich noch kann, sollte ich." An der Ziellinie kann ich mich noch irgendwie an den andern Fahrern vorbeischmuggeln. Völlig auf dem Hund bin ich wenigstens fertiggefahren.

Paris - Rubaix
Es ist kalt, als der Startschuss fällt. Ich fahre mit langen Handschuhen, Armstulpen und einem zweiten Tricot dem offiziellen Start entgegen.
Wie soll ich dieses Rennen eigentlich ohne grosse Moral taktisch fahren? Am Besten versuche ich auf den ersten 70km in den ersten Positionen vorne am Feld zu fahren, vielleicht läuft ja eine gute Gruppe? Und bei diesem Rennen habe ich mit dieser Moral nur so eine Chance, bis nach Rubaix zu kommen oder gar ein Resultat herauszufahren. Und es ist wie immer, nach nicht mal zwei Kilometer erfolgen die ersten Attacken. Ich mogle mich langsam aber sicher nach vorne. Was wollen denn die alle, bei diesem Gegenwind? Jeder fährt jedem nach, niemand kommt auch nur 50m weg. Aber so richtig greift auch keiner an, alles nur halbpatzige Versuche. Meine ehemalige Mannschaft MG will anscheinend unbedingt eine Gruppe machen, aber Santaromita ist bei bestem Willen nicht der Fahrer, der mit einem starken Antritt das erreichen könnte. Lass es sein, Mauro, es ist zwecklos. Aber warte mal, ich zeige Dir, wie man das macht, ich muss nur noch den richtigen Moment abwarten. Endlich die kleine Steigung, auf die ich gewartet habe. Felice Puttini greift an, das Feld zieht sich in die Länge, ohne dass er wegkommt. Theoretisch sollte man jetzt mit einem starken Konter wegkommen. 13rein und ein Sprint. Nach zweihundert Meter weiss ich, dass kein Fahrer direkt an meinem Rad ist, nach weiteren zweihundert schaue ich das erste Mal zurück. Siehst Du Mauro, so fährt man 200m Vorsprung heraus. So, noch einen Kilometer voll fahren und dann werde ich mich orientieren, was ich machen soll. Ich sehe, dass hinten weitere Atacken lanciert werden und eine Jagd im Gange ist. Also nochmals einen Kilometer voll. Ein Motorrad kommt, 20 Sekunden Vorsprung. Scheiss Gegenwind, aber das habe ich mir ja selber eingebrockt. 40, 55 Sekunden, eine Minute, Mensch, die lassen mich nicht fahren, Gegenwind und kilometerlange gerade Strassenstücke. 20km bin ich nun schon gefahren, 45 Sekunden Vorsprung. Da mache ich mich ja lächerlich, so etwas Hirnverrücktes zerstört ja meinen guten Ruf bei den Rennfahrern. Noch 20 Sekunden, ist wohl besser so, ich esse ein kleines Schinkenbrötchen und schalte einen Gang zurück. 2km später immernoch 20 Sekunden. Wer nicht will, hat gehabt! Einen Gang grösser und
beschleunigen. Ein gutes Zeichen, der neutrale Materialwagen wartet und fährt hinter mir her, das heisst, ich habe über eine Minute Vorsprung. Das Motorrad kommt, 2 Min 30. Auf den endlosen Geraden sehe ich das breite Feld hinter mir, sie fahren also noch langsam. Es sind noch 210km mit Gegenwind, scheiss Rennen. Ich habe meinen Pulsmesser wegen den Kopfsteinpflaster nicht mit, aber ich schätze, dass ich so mit 150 Schlägen pro Minute fahre. So halte ich es die nächste Zeit noch gut aus. Der Vorsprung pendelt sich bei dreieinhalb Minuten ein. Viel zuwenig, vor den ersten Pavées muss ich mindesten 5 Minuten haben, besser 15! Das Motorrad, 1.30 auf zwei Fahrer, 3.40 aufs Feld. Was sind das wohl für zwei Fahrer? Sehr gut, jetzt kann ich auf diese zwei warten und dann sind wir zu dritt bei diesem Wind.
Ein Gan und ein Asics-Fahrer schliessen auf. Jetzt könnt ihr ein bisschen fahrern, ich ruhe mich an euren Hinterrädern ein wenig aus. So ist es schön, ich merke, dass ich eigentlich noch gar nicht kaputt bin, führe aber trotzdem nicht, schliesslich bin ich 50km alleine in den Gegenwind gefahren. Nach zehn Kilometer harmonieren wir zu dritt recht gut, Vorsprung 5 Min. Ist das friedlich, im Feld hinten ist jetzt die grosse Keilerei für die besten Positionen im Gange, und wir fahren einfach so auf das erste Stück. Keine Bremserei, keine Sturzgefahr, nichts! C'est meilleur ici, que en groupe, n'est-ce-pas?Es holpert und staubt stark auf dem ersten Stück. Das Motorrad mit der Fernsehkamera wirbelt vor uns allen Staub auf. Zeitweise sehen wir nicht mal die Steine! Ich fahre auf den Pavées meistens in erster Position, da kann ich meinen eigenen Weg durch die Schlaglöcher suchen. Meistens fahre ich rechts oder links der Strässchen im Sand und Kies, da geht es mit viel weniger Kraftaufwand. Es ist zwar gefährlicher und auch das Defektrisiko ist grösser, aber wir können uns das leisten. Schliesslich müssten wir bei einem Platten nicht auf ein Rad warten, unsere Mannschaftswagen sind direkt hinter uns, der grosse Vorteil einer Spitzengruppe!
Bei der ersten Verpflegung haben wir noch 3 Minuten Vorsprung. Viel zu wenig, aber wenn wir es nur noch bis zum Wald von Arenberg schaffen würden, aber es sind noch 40km. Ich weiss, dass mein Paris-Rubaix fertig ist, 3 Minuten Vorsprung und noch 140km bis zum Ziel, das reicht nicht mal zum fertigfahren. Wir wissen alle drei ohne etwas zu sprechen, dass wir nun voll fahren müssen um noch bis zum Wald zu kommen. Dort weiss ich auch, dass dieses Stück direkt im Fernsehen auf sehr vielen Kanälen kommt, viele Fotografen, viele Zuschauer, einfach das prestigvollste Stück bei diesem Rennen.
Die letzten 10km vor dem Wald haben wir nur noch 40 Sekunden Vorsprung, wir fahren nur noch zu zweit, der Italiener ist total kaputt. Endlich das letzte gerade Stück, dann die Einfahrt zum Wald. Normalerweise die einzige Stelle von allen Rennen, an der ich Angst habe, mit 60km/h im Gedränge auf die schlechtesten Pavées des ganzen Nordens. Heute aber, alles ganz friedlich, nur das Gedröhne des Fernsehhubschraubers und das riesige Geschrei der Zuschauer! Und dann das Geschüttel, ich sehe nicht mal die Steine, den Lenker spühre ich schon gar nicht mehr in den Händen. Oh Schock, links und rechts haben die Organisatoren Zäune aufgestellt, so können wir nicht links in der Wiese fahren, die werden uns doch nicht die ganzen 4 km auf diesen Steinen fahren lassen? Sadisten! Aber bei der ganzen Leiderei, ein gutes Gefühl als erster auf den Pavées von Arenberg in all den Zuschauern zu fahren. Vorbei an der ersten festen Kamerea, ich hüpfe nur noch von einem Schlagloch zum andern. Plötzlich fliegt Jacky Durand an mir vorbei, an seinem Rad weitere 10 Fahrer, dann wieder nichts mehr. Allez Jacky, allez!
Ich komme kaum mehr vom Fleck, so ziemlich alle Fahrer, die noch im Rennen sind, fahren noch auf den Pavées an mir vorbei. Ich versuche gar nicht erst, in einer Gruppe Unterschlupf zu finden. Wieder auf dem Asphalt halte ich nur noch nach einem Mannschaftsauto ausschau, das mich bis an die zweite Verpflegung mitnimmt.
Adieu Paris-Rubaix!

Flandernrundfahrt
Hier auf dem Grossen Marktplatz in St.Niklaas fühle ich mich schon fast als Einheimischer. Ich habe fast mehr Fans hier in Belgien wie in der Schweiz. Es ist ziemlich kalt, aber blauer Himmel, das gibt keine echte Flandernrundfahrt, sagen die Flamen. Es fehlt der Regen, dafür hat es sehr viel Wind.
Der Startschuss fällt, und oh Wunder, es wird nicht attackiert. Wo bleiben all die Fahrer von den kleinen Belgischen Manschaften? Und schon sind sie hier, hundert Meter vor dem Feld das sich sofort in die Länge zieht. Bum-bum, bum-bum, ewig diese Betonstrassen in diesem Land. Eine Attacke folgt der Andern, bis, ich staune, ich mich in einer 20 Mann starken Gruppe wieder finde, die 20 Sekunden Vorsprung auf das Feld hat. Von meiner Equipe ist noch Lauri Aus mit, der super für mich fährt. Ich mache keinen Tramp zuviel. Bei Km 40 sind wir wieder eingeholt, aber es bleibt schnell. Bis jetzt haben wir 48.5 km/h Durchschnitt. Sehr gut, so erwische ich mein Flugzeug heute Abend sicher noch. Aber meine Beine fühlen sich sehr komisch an, keine Schmerzen und daführ auch keine Kraft, aber ich komme ohne die geringste Mühe mit. Km 71, das erste Pavéestück, nichts schlimmes und auch nichts entscheidendes, ich fahre mitte im Feld und weiss, dass ganz links 40cm Asphaltiert sind. Natürlich nehme ich das Geschüttel nicht freiwillig auf mich und fahre links. Die Verpflegung kommt, von jetzt geht es in die Keilerei.
Bum-bum, bum-bum, das schon den ganzen Tag. Ich komme vorne in das erste richtige Pavéestück, sehr gut, jetzt sind die nächsten 40km kein Problem, es hat kein Platz um zu überholen. Die Kasseien (Pavée) von Mater, 3km lang, leicht steigend und verdammt hart. Am Ende sind wir noch 6 Fahrer, der Rest 200m hinter uns. Ich staune, auch Alex Zülle ist mit. Wir werden wieder eingeholt, aber die Moral steigt. Molenberg, was ist mit meinen Beinen los? Ich kann keine Position gewinnen aber sie schmerzen sehr stark. Kein gutes Zeichen. Vorne sind 10 Fahrer weg, mit Museeuw und Bartoli. Da ich aber weiss, dass die nächsten 30 km keine Schwierigkeiten beinhalten, bleibe ich ruhig. Wir sind schätzungsweise noch 100 Fahrer, es wird wieder attackiert und sehr schnell gefahren. Ich kann immer in den ersten 20 bleiben, aber die Beine schmerzen immer mehr, und es sind noch 120km. Kurz vor dem Kluisberg finde ich in einer 10 Mann Gruppe unterschlupf, bin aber fix und fertig. Am Bergpreis werden wir wieder eingeholt, wenn ich nur noch die nächsten Berge auch vorne bleiben kann! Der Knokkerberg, zum Glück fahren sie die 2 m breite Strasse schön langsam hoch. So komme ich wenigsten einigermassen mit. Jetzt die breite Autostrasse runter Richtung Oude Kwaremont, wo das Rennen normalerweise beginnt. Ich weiss nicht wie ich das gemacht habe, aber ich kann die entscheidende Kurve an 25 Position nehmen, bravo. Allerdings total fertig. Diese Kasseien, trrrrrrr trrrrrr am Schluss aber nur noch trr trr. Vor mich gibt es ein Loch, ich kann es aber nicht mehr schliessen. Wir sind drei Fahrer hinter der ca. 20 Mann starken Spitzengruppe. 200m, aber sie bedeuten Welten. auf dem Patersberg finde ich mich mit zwei Mapei und Telecom Fahrer wieder. Wir spielen gut zusammen, vielleicht kommen wir wieder nach vorne? Ich habe mich erholt, und fühle mich eigentlich wieder ganz gut.War wohl nichts, von hinten schliessen wieder Fahrer auf und vor der Muur von Geraardsbergen sind wir wieder 60 Fahrer, die Spitze wohl drei Minuten vor uns. Ich klemme mich ins Füdli und leide die Muur und nachher den Bosberg hoch. Wir sind noch ca 15 Fahrer und fahren die letzten 10 km voll. Es geht noch um Weltcuppunkte. Vorne sind schätzungsweise 15-20 Fahrer und die ersten 25 kriegen Punkte. Im Sprint versauere ich total und mach nur etwa zehnter. Keine Weltcuppunkte aber viel schmerzen.
Jetzt beginnt das Rennen auf den Flughafen, ich erwische das Flugzeug ohne zu Duschen. Ich stinke halt ein bisschen, total kaputt aber ein bisschen zufrieden.

Mailand - San Remo
Endlich geht’s los, über Kopfsteinpflaster und Tramschienen bis wir aus der Stadt raus sind. Beim offiziellen Start nach sieben Kilometer; soll ich den Fahrradkilometerzähler auf Null stellen wie normal, oder weiterlaufen lassen bis zum Ziel? Wenn ich ihn weiterlaufen lasse, wird er ihm Ziel über 300km anzeigen. Ich stelle ihn auf Null und bereue es gleichzeitig.Der Wind bläst dreiviertel von hinten, das begünstigt Fluchtgruppen, also nichts wie los an die Spitze des Feldes, in die ersten zwanzig wenigsten. Nichts passiert, wir fahren gemächlich, nur nicht täuschen lassen und vorne bleiben. Soll ich meine Freunde im Feld suchen und ein bisschen schwatzen? Nein, ich will ein gutes Rennen fahren, und vielleicht passiert ja so etwas wie 1990, als 40 Mann am Start weggefahren sind und erst im Ziel wieder gesehen wurden. Batik beginnt zu fahren, die ganze Mannschaft, was zum Teufel wollen die? Wenn sie das Feld teilen wollen, müssen sie schon ein bisschen schneller fahren. Der Once Fahrer vor mir schwenkt auf einmal aus und lässt das Loch vor mir offen, ich schliesse es und schon wieder habe ich ein Loch. Dieser sch.... Wind ist doch stärker als ich geglaubt habe. Endlich bin ich wieder am Hinterrad von Marco Lietti und die Beine schmerzen ein erstes mal. Ich schaue nach hinten und kriege Moral. Ich bin der letzte Fahrer einer ca. 30 Mann starken Gruppe. Also jetzt ihr Batik Leute, jetzt könnt ihr fahren, möglichst schnell sogar, ich bin bereit. Sieben Batik Fahrer sind da inkl. Armin Meier im Schweizermeistertrikot, auch Toni Rominger und zwei Fahrer von Mapei. Es fehlen Festina, Once, Polti... Merde, die Gruppe wird nicht laufen, es fehlen wichtige Leute. Das Motorrad kommt, 25 Sekunden Vorsprung. Ohh, nicht schlecht, vielleicht läuft es doch, nein wir fahren zu wenig schnell, oder bin ich einfach gut?
Wir sind wieder eingeholt, Genua 100km sehe ich ein Wegweiser vorbeiflitzen, das gibt noch einen langen Tag. 225km all arrivo. Diese Tafel nimmt mir die ganze Moral. Nur nicht unterkriegen lassen, vorne am Feld fahren und doch möglichst keinen Wind abbekommen. Jetzt kommt die Ortschaft mit den vielen Kurven, jedes Jahr läuft hier eine kleine Gruppe. Ich sehe Eros Poli mit Maurizio Molinari angreifen, es gehen nochmals drei Fahrer mit. Soll ich auch? Nein, sie haben bei diesem Gegenwind sowieso keine Chance. Der Turchino Pass nähert sich, das erste richtige Gedränge des Tages geht los. Ich bin zu weit hinten und muss unbedingt nach vorne, Axel Merckx turnt vor mir herum, den muss ich unbedingt überholen, der verliert immer Positionen. Mit Risiko in die nächste Kurve und ich bin vorbei, eine Vollbremsung und ich verliere zwanzig Positionen! Nach drei Faststürzen kann ich endlich einen Sprint reissen und in den ersten zehn Unterschlupf finden. Die Verpflegungszone, Bidon fortwerfen, Verpflegungssack schnappen und wieder einen Sprint an die Spitze des Feldes. Die neuen Bidons und Brötchen einstecken, Sack fortwerfen und schon beginnen die letzen drei steileren Kilometer vor der Abfahrt. Ich lande Kurz im Strassengraben, aber ohne absteigen zu müssen, verliere aber dreissig Positionen und viel Kraft. Im Tunnel einen Sprint und ich steche ca. als 30 in die Abfahrt. Zu weit hinten, hoffentlich reisst es nicht. Und schon sehe ich, wie vor Pascal Chanteur ein Loch aufgeht, 15 Fahrer vorne die wild den Berg hinunterfahren, mit Museeuw, Jalabert........ Das ist gar nicht gut und ich kann hier hinten nichts machen. Evetl. ist die Gruppe aber zu gross um richtig zu laufen. Richtig, nach 5km auf der Fläche haben wir sie wieder eingeholt. Glück gehabt.
Der Kilometerzähler zeigt 200km an, die Beine schmerzen, obwohl wir nicht so schnell fahren, ich bin kaputt und kann mich nicht konzentrieren. Die Krise, die ich jedes Jahr hier habe. Ich lasse mich in die Mannschaftsauto zurückfallen und spreche ein wenig mit meinem alten Sportlichen Leiter Ferretti. Aber da hat es zuviel Wind, also wieder zurück ins Feld.
Das ganze Rennen dauert 294 km, die Cipressa beginnt 25km vor dem Ziel, plus dreissig Kilometer um zu "Ellböglen" das heisst ich muss bei Kilometer 240 vorne am Feld sein. Aber diese Rechnung werden alle andern Fahrer auch machen, es hat aber keinen Platz für alle. Und schon beginnt’s, bremsen, beschleunigen, bremsen und so weiter. Alassio, Laigueglia und beim nächsten Capo muss ich unbedingt nach vorne, nach der Abfahrt kommt Imperia mit der schmalen Passage. Ich riskiere wiedermal mein Leben und passiere Imperia an 20 Stelle, nicht schlecht. Der nächste Capo ist der schwerste, ich kann aber noch einige Positionen gewinnen, die es jetzt bis zur Cipressa zu verteidigen gibt. Pardon, Museeuw, aber ich kann nicht bremsen, nur weil du Weltmeister bist. Danach bin ich im Clinch mit zwei Fahrern von Aki, nur nicht nachgeben. Beim Jachthafen einen Kilometersprint und ich komme als 15 in die Cipressa. Bravo Rolf.
Axel attackiert, da geh ich natürlich mit. Die Motorräder sind natürlich wiedermal im Weg wie jedes Jahr. Du fährst stark Axel, da muss ich ja nicht führen. Von hinten sehe ich einen ONCE Fahrer aufschliessen, Jalabert? Da habe ich erst recht keinen Grund um Führungsarbeit zu leisten, schliesslich muss ich auf den letzen zwei etwas flacheren Kilometer auf einen Konter gefasst sein. Plötzlich fliegt Museeuw an mir vorbei, Jalabert geht mit, Bartoli..... das sind die Richtigen. Gut habe ich ein bisschen Kraft gespart, so kann ich aufschliessen. Merde, es sind wieder alle da. Ein Sprint auf den Bergpreis, um die Abfahrt in den vordersten Positionen zu beginnen. Wieder auf der Strasse entlang vom Meer habe ich kurz Zeit, mich zu orientieren. Wir sind noch ca. 40 Fahrer, mit Elli und Chanteur von meiner Mannschaft. Jetzt heisst es, vorne in den Poggo zu fahren. Ich spüre die Distanz in den Beinen und die Schmerzen. Fünfte Position, jetzt wäre es gut, wenn der Leuchtturm kommen würde. Wo bleibt dieser Turm? Ein Sprint am Turm vorbei und ich fahre doch nur als 20 in den Poggio. Puhh, und vorne attackieren sie sofort. Jetzt heisst es leiden und kämpfen. Ich gewinne nur wenige Positionen, bin aber immer noch dabei. Die Abfahrt mit Risiko und dann die letzten zwei Kilometer. Ich bin zu weit hinten aber es ist zu schnell, um nach vorne zu fahren. Ich muss meinen Sprint schon 800m vor dem Ziel lancieren, um noch einige Fahrer überholen zu können. Die Beine brennen und doch überhole ich nur wenige. Scheisse, heute wäre mehr dringelegen. Endlich die Linie, vielleicht 15 oder 16.